Der Weg zu den 29 Spendern an den Wänden der Uni war und ist kein einfacher, kurzer Prozess. Es sind Studierende, Studierendenvertreter*innen, Gleichstellungsbeauftragte, Fachschaftsräte, Fachgruppen, Hochschulinitiativen und wir, die sich dafür eingesetzt haben diese anzubringen, zu finanzieren, zu verwalten, für die Nachhaltigkeit und Langfristigkeit des Projekts zu sorgen.
Dabei begegnen uns stets Hindernisse, unerwünschte Kommentare, Konfrontationen. Diese sind Teil unserer Arbeit, jedoch nicht so haptisch und sichtbar wie die Spender und Produkte selbst – sie gehören jedoch zu unserem Engagement dazu und prägen dieses maßgeblich. Wir wollen einige dieser, im Stillen ausgehandelten, Kämpfe sichtbar machen und zeigen, wie Luise es sagt „dass sich für die Menstruation einzusetzen, ganz schön anstrengend sein kann“.
Unsere Kommentare und Stellungnahmen zu den jeweiligen Äußerungen sind Anregungen und stellen bei weitem keine vollendete Argumentation im Umgang mit dem Gegenwind, den wir in unserem Ehrenamt erfahren haben. Ihr könnt die Argumentation bzw. den Denkprozess gerne für Euch weiterführen.
„Menstruation ist Frauensache.“
Uns war von Anfang an wichtig, zwei Ziele mit unserem Projekt zu verfolgen:
die Unsichtbarkeit des Themas Menstruation im Alltag anzugehen und die fehlende Bereitstellung von kostenlosen Menstruationsprodukten zu beheben. In unseren Augen soll die Menstruation nicht weiterhin hinter verschlossenen Türen (Toiletten) geschehen und als „Frauen-Angelegenheit“ betrachtet werden (Spender nur auf Frauentoiletten). Weiter unten erwähnen wir, dass die Gruppen „Menstruierender“ und die der „Frauen“ zwar Schnittmengen haben, jedoch nicht deckungsgleich sind.
Die Behauptung, wenn man selbst nicht menstruiere, dann sei man vom Thema Menstruation nicht betroffen, stellen wir stark in Frage.
- Unsere alleinige Existenz ist auf menstruierende Personen zurückzuverfolgen – ohne sie und ohne einer gesunden Handhabung der Menstruation, gäbe es uns nicht.
- Wenn wir heterosexuelle Beziehungen führen, wenn wir einen Kinderwunsch haben (oder nicht), dann betrifft eine*n die Menstruation sehr wohl, denn sie beeinflusst Verhaltensweisen in Bezug dazu, ob man Kinder will oder nicht; ob und wie eine sexuelle Begegnung gestaltet werden kann.
- Auf der Arbeit, in der Schule, der Universität, in Fortbildungszentren etc. sind u.a. Konzentrationsschwierigkeiten, starke Periodenschmmerzen, Endometriose Gründe, die sich hinter Fehlzeiten von Schüler*innen, Studierenden, Auszubildenen und Mitarbeitenden verstecken. Eine schlecht ausgestattete Toiletteneinrichtung, die Furcht, dass während der Menstruation Blut ausläuft, beeinflusst die Entscheidung Menstruierender, gewisse Orte nicht aufzusuchen und Veranstaltungen ausfallen zu lassen oder zu verpassen.
„Um Menstruationsprodukte muss sich doch jede Frau selbst kümmern!„
Erstens: nicht alle Frauen menstruieren und nicht alle Personen, die menstruieren sind Frauen.
Zweitens: Probleme zu individualisieren führt zu 2 Dingen:
- Scham bei Betroffenen auslösen: „Du bist Schuld„
Betroffenen wird ein schlechtes Gewissen eingeredet. Das trägt zum Eindruck bei, sie seien offensichtlich nicht kompetent genug sich um sich selbst ausreichend zu kümmern. Scham entwickelt sich, die Hürde (offen) darüber zu reden erhöht sich. Wiederholt sich das in gleicher Art bei verschiedenen Individuen unabhängig voneinander, kommen sie gar nicht dazu, festzustellen, dass ihre Erfahrungen geteilt werden und es nicht nur ein individuelles Problem ist. Es ist ein systematisch auftretendes Phänomen. - Vernachlässigung dessen, dass es sich um ein systemisches Problem handelt
Das zugrundeliegende Problem wird nicht als systemisches Problem anerkannt. So kann eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung ausgeschlossen werden. Der Status Quo wird nicht weiter hinterfragt, somit gibt es kein „Problem – es ist ja nur diese eine Person, die es nicht auf die Reihe bekommt“. Man vernachlässigt, dass das System die Realitäten und Bedürfnisse bestimmter Menschengruppen systematisch nicht berücksichtigt und keine Anzeichen macht, dies zu verändern. Ist man Teil der vernachlässigten Personengruppe (in diesem Fall Menstruierender) so ist es einfacher das Problem einer individuellen Inkompetenz anderer zuzuschreiben, als u.U. die eigene Unterdrückung in einem patriarchalen System anzuerkennen und, dass man evtl. zur Aufrechterhaltung des Systems beiträgt.
„Man erkennt doch die Anzeichen, wenn sich die Periode anbahnt.“
Diesen Satz kann man für sich weiterführen mit „daher sollte man doch wissen, dass man Periodenprodukte mitnehmen muss.„
Der durchschnittliche Menstruationszyklus dauert 28 Tage. In der Praxis weicht dieser Zyklus jedoch mehr oder weniger stark von dieser Zahl ab. Daher ist ein “unregelmäßiger” Zyklus keine Seltenheit, sondern vielmehr die Regel. Kleine Abweichungen jeden Monat entsprechen dem Durchschnitt.
Folgende Gründe können dafür sorgen, dass die Periode ausbleibt oder der Zyklus plötzlich länger oder kürzer ist:
- Stress, psychische Belastung: es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der universitäre Alltag von u.a. Stress, Noten-, Abgabe-, Klausurendruck und Ängsten geprägt ist. Das beeinflusst u.a. den Zyklus und damit den Beginn, die Dauer und Intensität der Menstruation.
- Lebensstil: das Leben von Studierenden kann sehr stark fluktuieren. Die Mechanismen, um mit Stress umzugehen sind sehr divers und meistens nicht unbedingt langfristig gesund: fehlende regelmäßige, gesunde Ernährung, Rauchen, erhöhte und regelmäßige Einnahme von Koffein. Diese Faktoren beeinflussen den Hormonhaushalt des Körpers.
- Endometriose: bei dieser chronischen Erkrankung wächst Gewebe, welches der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, außerhalb der Gebärmutter. Die Symptome sind sehr divers und oft mit (großen) Schmerzen einhergehend. Man geht davon aus, dass ca. 10% menstruierender Menschen von Endometriose betroffen sind (das entspräche an der Georg-August Universität ca. 1.500 Personen). Die Krankheit ist sehr untererforscht und ihre Diagnose dauert im ø 7,5 Jahre.
Erneut: Individualisierung des Problems
Was in dieser Aussage mitschwingt ist der Appell „du solltest doch deinen Körper kennen und wenn du’s nicht tust, ja dann bist du halt inkompetent“. Wenn wir in der Universität die Bedingungen schaffen wollen, damit alle gleichermaßen an Lehre, Bildung, Arbeit teilnehmen können, dann sollten wir gucken, was die elementaren Bedürfnisse sind und wie wir ihnen begegnen können.
„Es kann zu Vandalismus kommen, dass Tampons durch die Gegend geworfen werden oder angezündet werden.“
- Andere Universitäten, die kostenlose Menstruationsprodukte anbieten, berichten an keiner Stelle von Vandalismus – weder in Schottland, noch in Frankreich und auch nicht in Schulen, Unis und öffentlichen Einrichtungen in Deutschland.
- Genauso könnte man Toilettenpapier anzünden, Papiertücher durch die Gegend werfen, Plakate abreißen, Automaten umschmeißen, Müll aus Mülleimern durch die Gegend verteilen, Mülltonnen anzünden. Aus welchen Gründen auch immer kommen seltsam wenig Berichte von Unis, die solch ein Verhalten vonseiten Studierender berichten.
Seit der Anbringung der ersten Spender durch Bloody Taboo im November 2022, hat sich diese Befürchtung nicht bewahrheitet. Es gibt Widerstand an der Uni (in Form des Überklebens/Entfernens von Beschilderungen von All-Gender Toiletten, oder entfernen unserer Sticker „not all women menstruate„) aber nicht durch den Missbrauch der Menstruationsprodukte oder dem physischen Angriff der Spender selbst.
„Die Flucht- und Rettungswege sollen freigehalten werden.“
Diese Argumentation, die uns zu Anfang unseres Projekts häufiger begegnet ist, hat uns dazu angeregt, uns das imaginierte Szenario genauer anzuschauen. Wir haben uns gefragt, wie das denn genau aussehen könnte und es in einem kurzen Video auf Instagram visualisiert.
Wir nehmen an, dass dieses Argument wiederholt v.A. im Zusammenhang mit unserem Vorhaben, die Spender an öffentlichen Orten anzubringen, benutzt wurde. Anfangs schien es einfach keinen Ort in der Uni zu geben, an denen Flucht- und Rettungswege durch die Spender nicht behindert werden würden. Die einzigen Räume, die okay zu sein schienen waren die Frauentoiletten oder Vorräume. Als Kontrast stand unsere Zusammenarbeit mit dem Studentenwerk Göttingen, die direkt den vorgeschlagenen Ort im Flur vor den binären Toiletten angenommen hat und den Spender zeitnahe aufgehängt hat.
„Ich halte diese Spender für komplett überflüssig – es gibt genug Supermärkte in Fußgängerentferung, wenn man mal wirklich nicht für sich selbst gesorgt hat.“
In der Studie der Gleichstellungsstelle der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg 2021/2022, gab es zu diesem Thema u.a. folgende Stellungnahmen vonseiten Studierender:
„z.T. 8 Stunden lange Laborpraktika und keine Pausen, die lang genug sind, um zum Spind oder Auto zu laufen, um sich Hygieneartikel zu holen.“ oder
„Ich habe erst zu spät an der Hochschule gemerkt, dass ich meine Periode bekommen habe. An diesem Tag hatte ich Labor und da die Labor- und Praktikumsplätze sehr gering sind, konnte ich nicht einfach nach Hause gehen, um mir passende Artikel zu besorgen. Ich wusste, dass ich für mindestens 3 bis 5 Stunden im Labor sein werde, was mir Angst gemacht hat, weil ich keine Produkte hatte. Mir konnte dann zum Glück eine Bekannte helfen, aber trotzdem (…) Ich weiß nicht, was ich dann gemacht hätte.“
Wichtig bei diesem Kommentar (den wir in dieser Form öfters begegnet sind) ist, dass sie vonseiten weiblich gelesener Menschen kommen. Wir fragen uns, ob diese Personen mit Menstruierenden über ihre Handhabung der Menstruation und ihrer Einschätzung der infrastrukturellen Ausstattung von Arbeits-, Lehr- und Fortbildungseinrichtungen gesprochen haben. Diese Kommentare tauchen in Kreisen auf, in denen darüber entschieden werden sollte, ob Spender gekauft und Produkte regelmäßig und kostenfrei angeboten werden sollten.
„Unsere Generation hat eure zu sehr verwöhnt und jetzt erwartet ihr, dass euch alles gegeben wird.“
Mit unserem Projekt versuchen wir Themen sichtbar zu machen, die in der Generation unserer Eltern sehr tabuisiert gehandhabt wurden. Ein Tabu, das an uns weitergegeben wurde und die Verarbeitung dessen nun unsere Aufgabe ist. Zu enthüllen, dass zur notwendigen alltäglichen Hygiene neben Wasser, Toilettenpapier, Papiertüchern auch Menstruationsprodukte dazugehören, ist kein Zeugnis von Verwöhnung. Vielleicht ist das vielmehr ein Nachweis, gelernt zu haben, dass wir es wert sind uns für die Dinge und Werte einzusetzen, die uns wichtig sind – dass wir zu der Gestaltung der Welt, in der wir leben beitragen dürfen und können. Wie vorherige Generationen die Standards für unsere Generation erkämpft haben, so machen wir dies für jetzige und kommende Generationen auch.
„Ich denke Ihre Spender werden nicht angenommen werden.“
Seit Beginn unseres Projekts, als wir mit solchen Kommentaren konfrontiert wurden, hat sich die Anzahl an Spendern an der Uni von 5 (Mai ’22) auf ~ 10 (Nov. ’22) bis auf die heutige Anzahl von 29 (Nov. ’23) angebrachten Spendern erhöht. Hinzu kommen 5 weitere Spender, die die sozialwissenschaftliche Faultät anzubringen und zu befüllen plant; weitere 4 Spender, die Thomas Richter (Leitung der Öffentlichkeitsarbeit der Universität) in seiner Abteilung infolge der Bekanntmachung mit unserem Projekt anzubringen plante. Das sind
38 Spender.
Zudem kommt das offen angesprochene Interesse der Mathematik und Archäologie-Kunstgeschichte Fachgruppen jeweils einen Spender in ihren Gebäuden haben zu wollen.
Diese Zahlen sprechen dafür, dass die Spender vor allem eines tun:
sie stoßen auf Resonanz.
Immer mehr universitätsinterne Parteien zeigen Interesse, Spender mit kostenlosen Menstruationsprodukten an ihren Standorten zu installieren.
Diese Entwicklung zeigt sich auch über unsere Universität hinaus. In den letzten 3-4 Jahren gewinnt das Thema an gesellschaftlicher Relevanz. Sichtbar wird dies u.a. an:
- deutschlandweite Formung (studentischer) Gruppierungen im Einsatz gegen Periodenarmut
- Gründung von Firmen für Menstruationsartikelspender (z.B.:“Periodically“ in Deutschland, „Marguerite & Cie“ in Frankreich)
- Angebot an kaufbaren Spendern nimmt zu (z.B.: The Female Company, MYLILI, Tabi usw.)
- 30+ Hochschulen und Universitäten stellen Produkte kostenlos zur Verfügung (+ viele Schulen, Bezirke, Gemeinden, Unternehmen)
„Dann wäre es nur fair, Männern kostenlose Kondome und Rasierer zur Verfügung zu stellen.“
Während Sex oder sich zu rasieren eine bewusst steuerbare Entscheidung ist, ist das Menstruieren dies nicht. Menstruierende können nicht am Morgen sagen „oh, heute mal keine Lust zu menstruieren“ wie man das beim rasieren oder Sex haben machen kann – wenn man es will. Genauso wenig kann man entscheiden wann das Menstruieren stattfindet und für wie lange. Der Unterschied bei dieser Behauptung ist also, dass die Frage nach dem „ob“ und dem „wann“ beim Sex und Rasieren bewusst steuerbar sind, während das beim Menstruieren nicht der Fall ist. Das Rasieren hält Studierende tendenziell weniger davon ab, zur Vorlesung zu gehen, als die Menstruation es tut.
Weiblich sozialisierte Personen geben in westlichen Ländern außerdem vergleichsweise mehr Geld für das Rasieren aus als männlich sozialisierte Menschen (siehe „Pink Tax„). Zusätzlich kommt das Geld für die Handhabung des menstruellen Zyklusses (Periodenprodukte, Verhütung, Schmerztabletten, kostenpflichtige ärztliche Behandlungen etc.) sowie ein Gender Gap in der Bezahlung von 7% weniger für Frauen als Männer für dieselbe Arbeit in Deutschland, was keinesfalls für eine finanzielle Parität spricht. Damit im Einklang ist die Verhütung in heterosexuellen Beziehungen nicht konsequent gleich finanziell aufgeteilt – mit mehrheitlich Menstruierenden, die den größten Teil der Kosten übernehmen.
Die Notwendigkeit von Rasierern sowie Kondomen sind in unseren Augen nicht mit Menstruationsprodukten vergleichbar.
„Lassen wir mal die Mädels machen.“
„Ich weiß gar nicht warum Sie das Fördergeld bekommen haben, das Projekt ist ja nicht neu.“
„Sie haben gerade mal ein bisschen Geld bekommen und dann müssen die Spender später abgehängt werden.“
„Wenn die Toiletten oder Vorräume für die Spenderanbringung nicht passen, dann können Sie das angeworbene Geld zurückgeben.“
„Irgendwann werden Personen an der Uni die Spender für so selbstverständlich halten, dass es niemanden interessieren wird, wer sie angebracht hat.“
Spannend war, dass die rationalen bzw. objektiven Argumente, mit denen wir versuchen auf solche Kommentare zu reagieren, bei diesen Personen nicht anzukommen schienen. Es wirkte, als hätten sie eine feste Überzeugung über das Thema, die man eigentlich im Gespräch gar nicht umstimmen könnte. Die Vehemenz, mit der Personen versuchten die Nutzlosigkeit, Unüberlegtheit und Lächerlichkeit unseres Vorhabens zu unterstreichen war beeindruckend.
Beeindruckend war außerdem, wer viele der oberen Bemerkungen machten: sie kamen vermehrt vonseiten weiblich gelesener Personen. Wir haben uns die Frage gestellt, warum sich andere (potenziell oder ehemalig) Menstruierende wiederholt antifeministisch äußern. Das Konzept der „Proximity to power“ erlaubt dabei eine mögliche Einordnung. Dazu sagt die Autorin Kristina Lunz in einem Instagrampost folgendes „das Leben lebt sich einfacher und die Karriere ist einfacher zu gestalten wenn man sich selbst dem System anpasst und das eigene Leben […] frauendiskriminierend gestaltet„.